Freiwilligenarbeit mit geflüchteten Menschen:
Rollenverständnis – Abgrenzung – Belastbarkeit

Unter diesem Motto veranstaltete der Freundeskreis Flüchtlinge Stuttgart West, finanziert von der Landeszentrale für politische Bildung, von September bis Dezember 2016 eine achtstündige Supervisions-Reihe an der zwölf Mitglieder des Freundeskreises teilnahmen.

Ehrenamtliche Helfer in der Flüchtlingsarbeit haben es in den letzten Monaten selbst erlebt: Die Palette der Emotionen ist breit – Glück und Dankbarkeit, Mitgefühl und Freude, Frustration und Leid, Überlastung und Resignation gehen ineinander über wie auf einer Achterbahn. In der täglichen, ehrenamtlichen Arbeit bleiben Konflikte mit sich selbst, untereinander, mit den Hauptamtlichen und den Geflüchteten nicht aus. Es kann zu enttäuschten Erwartungen, Frustration, Überlastung, Krankheit und Stress kommen.

In der Supervisions-Gruppe war für jeden Teilnehmer unter professioneller Leitung Zeit und der passende Rahmen, um Fragen zu stellen, miteinander belastende Themen anzusprechen, Lösungswege zu finden und Entlastung zu finden. Wir haben uns unsere  Motivationen, Haltungen, Erwartungen und Enttäuschungen näher angeschaut und zahlreiche Erfahrungen aus der Arbeit und dem Umgang mit Geflüchteten und Institutionen ausgetauscht. Es gab Gelegenheit, Streitigkeiten, unterschiedliche Meinungen über die Vorgehensweise und auftretende Probleme innerhalb des Helferkreises und mit den Geflüchteten zielführend zu besprechen:

 

  • Wie kann ich trotz der Sprachbarriere eine tragende Beziehung zu meinen Mentees aufbauen?
  • Geht Disziplin über alles im Umgang mit widerspenstigen Kindergruppen oder darf man auch mal alle Fünfe grade sein lassen?
  • Wie erkenne ich eine Traumatisierung und wo sind die Grenzen meiner eigenen Belastbarkeit?
  • Was kann ich tun, um die kulturellen Unterschiede besser zu begreifen?
  • Muss ich als Ehrenamtliche/r ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich nicht die Zeit aufbringe, die meiner Meinung nach wichtig wäre?
  • Wohin mit dem Frust im Umgang mit Behörden und der Anonymität von großen Flüchtlingsunterkünften?
  • Wie gehe ich vor, um mein Anliegen mit den richtigen Partnern auf die richtigen Schienen zu bringen und möglichst erfüllend tätig sein zu können?
  • Und immer wieder: Wo sind die Grenzen meiner Belastbarkeit, psychisch und physisch und wie kann ich mich auf gute Weise abgrenzen.

Es war für alle Teilnehmer erleichternd  und spannend neue Blickwinkel auszuprobieren, über die praktische Umsetzung neuer Impulse zu diskutieren und sich untereinander und im Freundeskreis besser zu vernetzen um konkrete, neue Schritte in der sich immer wieder wandelnden Arbeit mit Geflüchteten zu übernehmen.

Engagement und Feedback der Teilnehmer lassen darauf schließen, dass die Maßnahme ihr Ziel, Entlastung zu bringen und das Vertrauen in sich selbst und seine Aufgabe zu stärken,  voll erreicht hat. Sowohl die Teilnehmer als auch die Leiterin wünschen sich eine regelmäßige Fortsetzung im neuen Jahr und würden sich freuen, noch mehr Mitglieder des Freundeskreises zum Austausch begrüßen zu dürfen.

Januar 2017 Susanne Schosser